Suizidgedanken – Ein ganz privater Einblick
Die dunklen Gedanken
Ich leide seit Jahren immer mal wieder unter Suizidgedanken. Mal mehr, mal weniger. Und um ehrlich zu sein: Dass ich diesen Text zu diesem Zeitpunkt schreibe, ist ein angewandter Skill. Skills sind Hilfsmittel, um mit hohen Spannungszuständen umzugehen und die Anspannung so gut es geht zu minimieren. Das können z.B. eine eiskalte Dusche, ein Stein im Schuh oder bestimmte Düfte sein. Ich habe unter anderem gelernt, das Schreiben als eine Hilfe zur Spannungsreduktion zu benutzen. Das funktioniert nicht immer, aber sicher immer öfter. Zudem stellt es für mich eine Möglichkeit dar, Sinn zu schaffen. Wenn ich Selbstmordgedanken habe, dann habe ich kaum noch Hoffnung und sehe keinen Sinn mehr in meinem Leben – das Schreiben gibt mir Sinn, wenn auch an anderer Stelle.
Suizidgedanken – wie fühlt sich das an?
Ganz egal, was ich schreibe – kein Wort könnte je das beschreiben, was ich in solchen Momenten fühle. Niemals. Und doch ist es wichtig, einen Eindruck zu geben, der dem möglichst nahe kommt. Um aufzuklären, zu sensibilisieren und zu zeigen, dass der Selbstmord kein egozentrischer Akt ist. Und um in dieser Hinsicht mal eines klar zu stellen: Wenn sich ein lieber Mensch suizidiert, dann haben wir das Recht, wütend zu sein. Wir dürfen traurig sein und wir dürfen verdammt noch mal unglaublich sauer darüber sein, dass uns ein Mensch allein gelassen hat, der uns doch so viel bedeutet hat. All das sind Gefühle, die ihre Berechtigung haben.
Ein ganz privater Einblick
Hoffnung bedeutet für mich, irgendetwas in der Zukunft zu sehen, für das es sich lohnt, weiterzumachen. Den Kampf gegen die Depression aufzunehmen und Gefühle, die ich nicht haben will und die doch präsent sind, auszuhalten. Hoffnungslosigkeit ist für mich das schlimmste Gefühl, das es gibt. Ich vertraue weder mir noch dem Schicksal. Ich fühle mich hilf- und machtlos. Ich sehe keinen Sinn mehr in meinem Leben.
Gründe für die suizidale Handlung
Die Gründe für den Suizid einer bestimmten Person sind, zumindest im öffentlichen Diskurs, vollkommen irrelevant. Denn wozu führt es, wenn wir von den Gründen von Robert Enke († 10. November 2009) oder Chester Bennington († 20. Juli 2017) erfahren? Wir fangen an, zu vergleichen. Vergleiche machen keinen Sinn, wenn wir das Innenleben einer Person und deren individuellen Leidensdruck nicht kennen. Psychische Erkrankungen sind so individuell, dass sich keine Vergleiche ziehen und somit auch keine allgemeingültigen Aussagen treffen lassen. Ich finde es deshalb nur sinnvoll, über mögliche Ursachen zu sprechen – niemals jedoch die individuellen Gründe in der Öffentlichkeit und im Rahmen der Aufklärungsarbeit zu thematisieren. Deshalb werde ich auch niemals öffentlich meine persönlichen Gründe sowohl für die Depression als auch für das Entstehen von Suizidgedanken zum Thema machen.
Was will ich eigentlich damit sagen
Ich möchte hiermit den Suizid nicht beschönigen. Im Gegenteil: Ich rate jedem dazu, der unter Suizidgedanken leidet, sich professionelle Hilfe zu holen. Ein erster Schritt könnte sein, zu seinem Hausarzt zu gehen und die Problematik offen anzusprechen. Es gibt viele Therapiemöglichkeiten, um Depressionen und Suizidgedanken zu behandeln und zu bekämpfen. Niemand steht dem komplett allein entgegen. In dieser Tatsache zeigt sich nur leider das Paradoxe der Erkrankung: