Blog-Parade zum Thema „Trost“

Jessica, Psychologin in Tübingen, ruft auf ihrem Blog Psycho-Psyche-Therapie zur Blog-Parade zum Thema „Trost“ auf. Hieran habe ich mich sehr gerne mit folgendem Text beteiligt 🙂 

Trost...

Als ich klein war, bin ich oft mit meinem City-Roller durch die Straßen gefahren. Ich sauste Abhänge hinab und versuchte, über Bordsteine zu springen. Stolz präsentierte ich die Tricks, die ich ausdauernd einstudiert hatte. Und dann fiel ich hin. Ich war so unglücklich gefallen, dass ich mir meine Knie blutig scheuerte und bitterlich weinte. Solange, bis jemand kam, sich zu mir hinunterbückte und pustete. Ich bekam eine dicke Umarmung und ein Bärchen-Pflaster. Der Schmerz wurde dadurch nicht weniger – und doch fühlte ich mich besser. Ich wurde getröstet.
 
Trost. Ein schönes Thema. Und ein wichtiges. Ich bin nicht mutig, wenn ich behaupte, dass wir alle im Laufe unseres Lebens schon einmal getröstet wurden. Doch was genau ist Trost überhaupt und warum benötigen wir ihn?

Trost verstehen als ein Gefühl

Als ich der Aufgabe gegenüberstand, über Trost zu schreiben, stellte ich sie mir nicht schwierig vor. Schließlich war ich mir sicher, zu wissen, was das für mich bedeutet. Doch als ich zum Schreiben ansetzte, bemerkte ich, dass mir die Worte fehlen. Immer wieder löschte ich die Zeilen und glaubte, dass ich keinen meiner Gedanken zu dem Thema treffend beschreiben konnte. 

Nach langem Überlegen fiel mir dann auf, dass diese Wortlosigkeit Ausdruck dafür war, was Trost für mich bedeutet: Trost ist für mich in erster Linie ein Gefühl. Ein Gefühl, das ich mir entweder selber geben kann oder eines, das mir von außen übermittelt wird. Dieses Gefühl kann die Situation, die mich leiden lässt, nicht verändern – und doch kann es das Leid an sich verringern. Trost nimmt es mir nicht, doch es hilft mir, es zu tragen.

Zudem löst Trost weder unsere Probleme, noch lenkt er uns von ihnen ab. Im Gegenteil: Er wirkt direkt auf das Leid ein, das wir erfahren. Wenn ich zwischen den Zeilen lese, dann sehe ich darin: 

Zusammenhalt. Verständnis. Halt. Zuversicht. Geborgenheit. Hilfe. Schutz. Ermutigung. Zuwendung. Mitgefühl. Etwas, das man sich selbst geben kann und auch jenes, das durch andere Menschen übermittelt wird. 

So auch damals, als ich mit meinem Roller stürzte. Oder als ich aufs Steißbein fiel und wochenlang nicht richtig sitzen und laufen konnte. Als ich meine Lieblingsjacke im Bus vergaß oder auf Klassenfahrt großes Heimweh hatte. Schmerz, Leid und Trauer haben unendlich viele Gesichter. Doch jede Träne kann sich verkleinern, wenn der Trost sie besuchen kommt.

Trost ist immer subjektiv und situationsgebunden

Heutzutage spielt Trost eine ebenso große Rolle für mich wie in jungen Jahren. Eigentlich, so fällt mir auf, hat sich daran überhaupt nichts verändert. Zwar bin ich nun erwachsen geworden und sicherlich mit anderem Leid konfrontiert als noch vor 20 Jahren. Und ich bestehe auch nicht mehr darauf, dass man mit mir in höheren, kindlich-quietschenden Oktaven spricht, wenn man mich trösten möchte. Doch ganz ehrlich: Wenn ihr pusten möchtet, nachdem ich mich beim Hinfallen verletzt habe, dann lasst euch nicht aufhalten. Eine Umarmung nehme ich auch immer noch sehr gerne in Anspruch. Und wenn mir jemand grinsend ein Bärchen-Pflaster anbietet – her damit! Zumindest dann, wenn es zur Aufheiterung dienen soll und zur Situation passt. 
 
Anders ist es hingegen, wenn ich um den Verlust eines Menschen trauere oder mit einer schweren depressiven Phase kämpfe. Ein Pflaster wäre in dieser Situation wahrscheinlich, naja, schwierig. Tröstend wäre für mich dann viel mehr eine feste Umarmung und ein herzliches „Scheiße!“. Trost ist – und darauf möchte ich hinaus – von den unterschiedlichen Bedürfnissen eines jeden Menschen abhängig. Ich kenne Personen, die Körperkontakt grundsätzlich eher als unangenehm empfinden. Dementsprechend ist Trost sowohl individuell als auch situationsgebunden.
 
Ich könnte so viel mehr darüber schreiben. Über tröstende SätzeGestenGedankenHandlungen. Doch mir ist nicht danach. Je mehr Worte ich finde, desto näher komme ich einer Grenze, die ich nicht überschreiten möchte: Der Grenze, bei der ich Menschen über einen Kamm schere und entscheide, was für sie tröstend ist und was nicht. Welche Worte tröstend sind und welche das Gegenteil bewirken könnten. Was man als Tröstender tun und beachten sollte – und was nicht. 

Trost ist facettenreich und kann so vieles sein, nur eben nicht für jeden gleichsam. Seien es aufbauende Worte, eine schützende Umarmung oder eine liebevolle Geste. Die Verbindung zu einem Gott, eine erdende Meditation, ein Spaziergang in der Natur. Ein „Alles wird gut“ oder ein „Das ist wirklich eine besch*** Situation“. Das Schnurren der Katze oder das Ankuscheln des Hundes. Für jeden kann Trost etwas anderes bedeuten – und doch erzeugt es immer dasselbe Gefühl. Und auf dieses Gefühl kommt es an.