Das Leben ist eines der schwersten…
„Das Leben ist eines der schwersten“, sagte mein Opa immer mal wieder, als er noch lebte. Oft lächelte er dabei müde, manchmal seufzte er nur angestrengt. Wenn sein Blick zum Fenster hinaus ins Leben fiel, saß er dort, gedankenverloren in seinem Sessel, und schüttelte den Kopf. Immer wieder, über Jahre hinweg. Ich fragte mich, was er wohl dachte. Doch ihn – ihn fragte ich nicht.
Bittere Vergänglichkeit...
Nun sitze ich hier, auf meinem Stuhl in der Küche, auf der Kante meines Bettes, in dem Sessel meines Erkers – und schüttele den Kopf. „Das Leben ist eines der schwersten“, denke ich, während meine Augen mit starrem Blick ins Leere schweifen. Wenn ich glaube zu wissen, was er meinte, ermahne ich mich rasch: Ich habe noch immer wenig Ahnung von seinen Gedanken. Doch wenigstens weiß ich nun, was ich mir selbst damit sagen will.
Je älter mein Opa wurde, desto mehr erzählte er mir aus seinem Leben. Wenn er erst einmal zu reden begann, so war er kaum zu bremsen.
Mit der Zeit wiederholten sich seine Geschichten, doch die Freude am Erzählen wurde jedes Mal stärker und spürbarer. Er ärgerte sich, wenn ihm ein bestimmtes Datum nicht mehr einfiel, zu dem sich seine Geschichte ereignete. Während mir nicht mehr einfällt, wann und wo ich zuletzt Urlaub machte, konnte er sich an Ereignisse erinnern, die über 50 Jahre in der Vergangenheit liegen. Sein Leben war so bewegt, wie er mich bewegte.
Christina
Danke für diesen tollen Text! Er hat mich sehr gerührt, nicht nur bei dem Gedanken an viele Gespräche, die nie geführt worden sind.
So sehr das ich von der Bettkante aufstand, auf der ich kopfschüttelnd ins Leere schaute…
Madeline Albers
Liebe Christina,
„viele Gespräche, die nie geführt worden sind…“ Das trifft es sehr gut. Ich arbeite an meiner Kommunikation, aber oft fällt es mir noch immer schwer. Dir wünsche ich, dass du all die Worte findest, die ihren Weg nach draußen suchen 🙂