Chester Bennington – Eine Offenbarung anderer Art
Ja, ich bin schockiert. Jedoch nicht darüber, dass sich Chester Bennington das Leben genommen hat. Die Nachricht, die letzte Woche durch die ganze Medienlandschaft wanderte, machte mich betroffen und traurig. Doch die Tatsache, dass der Linkin Park Frontman sein Ende selbst wählte, schockiert mich nicht. Wieso auch? Wer einen Blick in die Biografie des Sängers wirft, dem dürfte die Überraschung schnell aus dem Gesicht weichen. Missbrauch, Alkohol, Drogen, Depressionen. Alles eng miteinander verknüpft. Chester Bennington muss ein sehr unglücklicher und schwer kranker Mensch gewesen sein. Mir tut dieser Teil seiner Geschichte sehr leid.
Doch um Chester Bennington soll es gar nicht primär gehen. Denn schockiert haben mich in erster Linie die Menschen, die auf den Tod des Sängers mit Empörung, Hass und Wut reagiert haben. Facebook ist eine Spielwiese für diejenigen, die mit Vorliebe und Leidenschaft Kritik an Menschen, Handlungen oder Ereignissen ausüben. Das ist nichts Neues. Doch das, was ich mitunter lesen musste, ließ mich fassungslos zurück.
Ich will dem Bewusstsein einer Gesellschaft hinsichtlich psychischer Erkrankungen nicht alles absprechen. Und doch kann ich nicht leugnen, dass ich von der Vielzahl an bösartigen Kommentaren überrascht war und mich frage, was die Aufklärungsarbeit denn überhaupt imstande ist, zu leisten.
Auf den Suizid des Sängers wurde im Großen und Ganzen heftiger reagiert, als es bei anderen bekannten Persönlichkeiten der Fall war, die sich selbst ein Ende gesetzt haben. So zumindest habe ich es wahrgenommen, sobald ich Soziale Netzwerke betreten habe. Aber warum?
Anstatt sich Hilfe zu holen und sich behandeln zu lassen, haut er einfach feige ab. Das ist egoistisch und ich verachte eine solche Handlung zutiefst!
Das las ich so oder so ähnlich von einem Bekannten, den ich bislang für einen halbwegs empathischen Menschen gehalten habe. Diese Aussage aber ist anmaßend und zeigt deutlich, worum es dem Autor geht: Um das Ausüben einer Kritik. Denn wem es wirklich, wirklich um den Inhalt seiner Aussage geht, dem muss doch einleuchten, dass wir alle überhaupt keine Ahnung davon haben, ob und wie sich Chester Bennington Hilfe holte, inwiefern er mit seiner Familie kommunizierte und wie er mit seinen Depressionen umging.
Er hätte sich doch helfen lassen können. Doch wenn er sich hätte behandeln lassen, wäre er jetzt wohl kaum tot