Hoffnung in der Depression
Der Wecker klingelt. Langsam öffne ich die verquollenen Augen. Die Sonne wirft ihre Strahlen sanft durch den dünnen Vorhang in mein Zimmer. Ich halte nicht sehr viel von ihr. Ihre Unbekümmertheit schnürt mir die Kehle zu und raubt mir jede Luft zum Atmen. Wie spät ist es? Es macht keinen Unterschied. Die Zeit ist wahnsinnig unbedeutend geworden. Und ich verstehe sie nicht. Sie verläuft zäh wie dickflüssiger, abgestandener Honig. Bitter, nicht süß. Es ist immer noch Dienstag. Doch auch das ist egal.
 
Jeder Tag ist ein Kampf um Struktur. Mein Blick fällt auf den Wochenplan, den ich an einem guten Tag erstellt habe. Aufstehen, frühstücken, Haushalt, rausgehen, Freunde treffen. Duschen nicht vergessen. Selbstfürsorge. Heute ist kein guter Tag.
 
Gestern habe ich Hoffnung bestellt, doch es scheint Lieferschwierigkeiten zu geben. Bunte Farben sind auch aus. Wo ist eigentlich der Sinn? Wie oft habe ich Geld für ein paar schöne Schuhe ausgegeben. Oder Schmuck. Oder ein angenehm duftendes Parfüm. Oder ein Smartphone.
Heute würde ich all das wieder verkaufen, um ein bisschen Hoffnung zu bekommen. Was soll ich mit einer schönen Uhr, wenn Zeit keinen Wert und Leben keinen Sinn mehr hat? Verdammt, hat nicht irgendwer ein bisschen Sinn?!
Katzenmiauen bahnt sich durch den Urwald der lethargischen Stille. Es zieht mich mit aller Kraft aus dem Bett und trägt mich in Richtung Küche. Vier schwarze Augen blicken erwartungsvoll zu mir hoch und signalisieren Hunger. Ich fülle zwei Näpfe mit Futter, lege mich auf den Boden und lausche dem wohligen Schmatzen. Dann Stille. Es kitzelt mich am Arm. Dann am Kopf. Lautes Schnurren dringt in mein Ohr. Etwas anderes steigt mir auf den Brustkorb und rammt mir die Krallen direkt ins Herz. Immer und immer wieder.
„Hör auf zu kneten“, murmle ich angestrengt und kraule den flauschigen Kopf. Sie legt sich hin, mit dem Kopf auf meinen Hals. Die andere schmiegt sich eng an meinen Körper. Ihr Schnurren lässt das Laminat vibrieren.
„“Na toll“, sage ich, „ganz schön unbequem…“
 
„“Selbst Schuld“, schnurrt es in mein Ohr, „du wolltest Sinn – hier hast du ihn.“
 
„“Danke“, flüstere ich nachdenklich und anerkennend.
 
„Danke.“
 
(Unbequem ist es trotzdem…)