Eine Weihnachtsgeschichte

die Straßen sind verschneit,
bald die Weihnachtszeit beginnt
und ich bin nicht bereit.
23. Dezember, 23:47 Uhr
Google ist auch nicht mehr das, was es mal war, murmle ich wütend vor mich hin und grüble angestrengt, wo zum Teufel ich noch Weihnachtsgeschenke herbekommen könnte. Ins Handeln kommen, denke ich, das ist ganz, ganz wichtig. Ich existiere also ins Wohnzimmer hinüber und versuche, anhand einer Internet-Anleitung einen Weihnachtsstern zu basteln.

Während die Katzen die herunter gepflückten Tannenbaumnadeln durch die Wohnung schieben, versuche ich, mit den Papierschnipseln den Mülleimer zu treffen. Die liegengebliebenen Reste forme ich alternativ zu einer Weihnachtskugel und hänge sie an den kahlen Tannenbaum. Weihnachten, beruhige ich mich, ist doch auch nur ein Tag wie jeder andere.
24. Dezember, 17:00 Uhr

Ich stehe auf. Nachdem ich 5 ½ Stunden darüber nachdachte, ob ich mir eventuell vorstellen könnte, aufstehen zu wollen, muss ich nun zum Klo. Jetzt bloß nicht wieder hinlegen, denke ich und zünde mir ein paar Duftkerzen an, um mich schon mal auf den bevorstehenden Abend einzustimmen. Rolf Zuckowski singt über die Weihnachtsbäckerei und ich hänge gequält über dem Waschbecken, um den Pandabären aus meinem Gesicht zu reiben. Ich bin zuversichtlich, dass sich dieser Zustand nur bessern kann.
24. Dezember, 18:15 Uhr
Der Tannenbaum brennt. Panisch schlendere ich mit dem Putzeimer zur Badewanne und überflute das Wohnzimmer. Gott sei Dank hat der Baum kaum noch Nadeln, denke ich und rutsche über den Laminatboden, um das Wasser aufzutrinken. Während ich noch sitze, überlege ich, wie ich ohne Leiter an die 3,50 Meter hohe Decke kommen könnte, um den Rauchmelder auszuschalten. Ich könnte etwas werfen, doch mir fällt nur eine der beiden Katzen ein. Keine gute Idee. Springen auch nicht.
24. Dezember, 18:58 Uhr
Es klingelt. Die Vermieterin, die Feuerwehr und meine Familie stehen vor der Tür. Um 18 Uhr sollte das Weihnachtsessen bei meinen Eltern beginnen. Vorwürfe, darauf habe ich nun überhaupt keine Lust, denke ich und singe spontan „O du Fröhliche“, um die Gemüter zu beruhigen. Funktioniert nur mittelmäßig.
24. Dezember, 19:35 Uhr
24. Dezember, 21:00 Uhr
Wir grölen Weihnachtslieder und spielen Spiele, die mir am nächsten Tag mit ziemlicher Sicherheit sehr unangenehm sein werden. Ich komme nicht umhin, das irgendwie gut zu finden.
25. Dezember, 00:00 Uhr
Ich liege im Bett und lasse den Tag in Gedanken Revue passieren. Vielleicht, denke ich, gibt Weihnachten gar nicht vor, etwas Bestimmtes zu sein. Vielleicht ist Weihnachten auch einfach nur eine Möglichkeit. Eine Möglichkeit, Momente zu erleben, die real sind und deren Sinn es ist, sie zuzulassen und zu spüren, ohne sie zu hinterfragen. Und so schlafe ich ein – mit einem freundlichen Gefühl und ohne Erwartungen an die Weihnachtstage, die vielleicht nichts anderes sein wollen, als ein Angebot zum friedlichen Beisammensein.
